Ende Oktober - ab in die Provence
Machmal kommt es anders, als man denkt. In D wird beschlossen, in wenigen Tagen wieder (fast) alles coronabedingt dichtzumachen, in F gelten schon ab Freitag, also heute, wo ich gerade diese Zeilen in der Provence schreibe, sehr strenge Ausgangsbeschränkungen und alles, wirklich alles, wird geschlossen. Außer Lebensmittelgeschäfte und Werkstätten. Mein geplantes Wochenende in Norddeutschland ist geplatzt und ich bin -extrem spontan- einen Tag vor dem Zellenarrest, was "lockdown" ja übersetzt so heißt, nach Südfrankreich gefahren. Wie bekloppt ist das denn?!
Donnerstag nachmittag gehts los. Mein erster Stopp ist bei Lausanne am Genfersee. Hundi freut sich auf eine Pause, Spaziergang am Wasser und leckeres Futter. Es ist natürlich schon dunkel und etwa 19 Uhr. Die Weiterfahrt gestaltet sich zügig, hinter Grenoble endet die Autobahn. Die dann noch gute 150 Kilometer über die D1075, auch als RN 75 bekannt, sind sehr kurvig, aber flott.
Abends gibt es es ein schönes gemeinsames Essen und wir plauderten reichlich lange. Deutsches Bier statt französischer Wein. Alle finden es süperr.
Danach machen wir uns auch schon auf den Weg. Mein Freund drängelt nämlich schon, weil er befürchtet, auf dem Rückweg in die Dunkelheit zu geraten. Der Weg mit dem Auto ist nicht weit sein, um von dort dann loszumarschieren. Trotzdem: bei Dunkelheit in den Bergen wäre es dann nicht mehr lustig.
Wir starten hinter Volonne, das ist richtig im Nirgendwo. Sehr ländlich, wie im Prinzip die gesamte Provence. Wir kommen noch an zwei Höfen vorbei, die einerseits so abgeschieden und idyllisch liegen, dass man schwärmen möchte. Aber ob das wirklich alltagstauglich ist? Kein Bäcker, kein kleiner Laden als Einkaufsmöglichkeit, kein Arzt, kein nichts. Und dann täglich zur Arbeit. Und dann kilometerweit über dicke Steine, mehr Weg als Straße, mit dem Auto dahinpoltern. Irgendwo muss man ja arbeiten. Oder nur zu Hause auf dem Hof? Klar - wenn man Bauer ist. Oder es sich als erfolgreicher Künstler oder Schriftsteller leisten kann. Alles andere scheidet eigentlich aus. Mein Freund wollte dort vor Jahren tatsächlich ein uraltes Haus erwerben. Wir diskutieren kurz, aber intensiv, darüber. Die Kaufidee zerschlug sich. Gott sei dank, denke ich. Mein Freund schweigt. Und nickt. Oder war das wegen des holprigen Weges?
Wir stellen schließlich das Auto neben der Schotterpiste ab, nehmen unsere Rucksäcke, die wir selbstverständlich mit Brotzeit, Trinkgefäß für die Hunde & Getränken befüllt haben und wandern los.
und siehe da: zwei große kühle deutsche Biere! Mein Freund versteht es immer wieder, mich zu überraschen. Ich hatte nicht bemerkt, dass er die Zusatzlast unbemerkt raufgeschleppt hat. Wir sind steil des Weges nun also 1257 Meter oben in den Bergen. Ruhe. Sonne. Nichts und niemand weit und breit - außer uns, klare Luft und weiter Blick.
Gegen 16 Uhr müssen wir uns wieder zum Abstieg aufmachen, damit wir nicht in die Dunkelheit kommen. Dieser ist nicht minder schön. Obwohl wir denselben Weg zurückgehen, haben wir eine andere Perspektive und genießen die Strecke zurück. Am frühen Abend sind wir zurück, es gibt kühle Getränke, Dusche, Aperitif und ein herrliches Abendessen unter Freunden. Und gute Gespräche. Was kann das Leben doch schön sein! Wir beschließen eine Wanderung in unmittelbarer Umgebung für den nächsten Tag, den ersten November. Wir brauchen das Auto also nicht zu bemühen.
Am zweiten November gehen wir dann die Höhlenwanderung an. Kartenmaterial haben wir keines. Wir tapern los, stellen aber alsbald fest, dass das gar nicht so einfach ist, dabei immer die relativ früh einsetzende Dunkelheit im Hinterkopf, den rechten Zugang zu finden. Vielmehr erstmal die Wegstrecke in die richtige Richtung. Wir werden zwar fündig, aber dazu müssten wir ziemlich schräg am Abhang eines Waldes mit unendlich viel Laub kraxeln, was uns dann letztendlich veranlasst, die Höhlen Höhlen bleiben zu lassen und wir auf einem ebenen, gut ausgebauten Feldweg einen großen Rundweg machen. Wir sind froh über die richtige Entscheidung. Auf dem Weg sehen wir im weiteren Verlauf nämlich, dass nach dem Abhang ein weiterer steiler Aufstieg und dann ein erneuter Abstieg nötig gewesen wäre. Das hätten wir nie an einem Tag geschafft. Stattdessen palavern wir angeregt über Gott und die Welt, machen auf einem keinen Plateau Pause in der Sonne, um dann entspannt irgendwann später wieder am Auto anzukommen.
Wir lassen den letzten gemeinsamen Abend ausklingen bei gutem Essen, reflektieren unsere kleinen Exkursionen und versprechen uns, eine solche spontane Aktivität zu wiederholen; ein paar Tage zusammen wandern, essen, plaudern - die Pandemie kann uns mal!