Nordtour
Meine jüngste Tour führte mich, diesmal allein, im September 2012 nach Nord/Nord-West der Republik.
Auf meiner Route lagen die Orte und Städte Norden an der Nordseeküste mit Blick auf die ostfrisischen Inseln (Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge), Bremen und Worpswede mit seinem Teufelsmoor. In einem Zipfel der Wildeshauser Geest habe ich auch geweilt. Der Bremer würde zusammenfassend sagen, ich war in "Bremen und umzu".
Da die Tour mehr den Charakter eines Streifzugs gehabt hat, und ich zB. keiner der schönen Inseln einen Besuch abstatten konnte, streife ich im Folgenden einige der genannten Orte.
Kurz vor meiner Reise, ich hatte mein Rad und Zelt selbstverständlich dabei, las' ich in der SZ über eine Studie, wonach die Deutschen im Norden der Republik am glücklichsten sind. Und zwar die Hamburger und die Region Niedersachsen-Nordsee.
Tja, wer hätte das gedacht?! Sind es doch gerade andere, weiter südlich gelegene Bundesländer, die da häufig trommeln. Sicher, mehr von Politikern und Tourismusmarketing-Fuzzis. Das will also nichts heißen. Bayern liegt übrigens auf Platz drei.
Von den glücklichsten Menschen in der nordischen Region konnte ich mir also wenige Tage später selbst ein Bild machen, obwohl mir ja der Norden ohnehin vertraut ist. Auch ohne diese Studie war mir klar, im Norden läßt's sich prima leben.
Norden feierte 2005 seinen 750sten Geburtstag und ist die nördwestlichste Stadt auf dem Festland. Das etwa 25.000 Einwohner zählende Städtchen liegt im Landkreis Aurich mit 70 Km Küstenlinie (einschließlich der Inseln) und ist so oder so immer eine Reise wert. Allein schon deshalb, weil der Ortsteil Norddeich Ausgangspunkt für Ausflügler und Besucher der ostfriesischen Inseln Juist und Norderney ist. Sowohl Fähren als auch kleinmotorige Flugzeuge bringen Pendler wie Touristen hin und wieder zurück zum Festland.
Wer vom Binnenland kommt, spürt gleich die für die ostfriesische so typische frische Brise. Die ist eigentlich immer da. Das wird spätestens dann deutlich, wenn man sich vornimmt, einige Kilometer mit Rad zwischen den Feldern und Wiesen langzutouren, um die verbleibende Wegstrecke über den Deich direkt an der Küste zurückzulegen. Wehe, der Wind bläst von vorne (was nicht selten der Fall ist), dann wird das Gefluche je nach Strecke groß.
Auf der kleinen Tour, die ich gemeinsam mit zwei Freunden machte, hatten wir -wie sollte es auch anders sein(?) -reichlich lange Gegenwind. Der war teilweise so stark, dass wir glaubten, kaum vom Fleck zu kommen. Aber dennoch: wir wurden schließlich belohnt, da die Küste einen Knick machte und wir am Deich endlich günstigen Rückwind bekamen. Ein unglaubliches Gefühl von Leichtigkeit stellte sich ein, das Binnenländler in der Form kaum kennen dürften. Wir rollten auf einmal nur so dahin. Scheinbar ohne Krafteinsatz wurden wir von schier unsichtbarer Energie geschoben, getragen. Auftrieb.
Mindestens ebenso typisch wie die frische Brise sind die Wolken. Selbst bei wolkenverhangenem Himmel dauert es nicht lange, dann ändert sich das Bild: plötzlich liegt die flache reizvolle Landschaft in schönsten Farben eingetaucht vor einem. Abwechslung ist garantiert.
Da ich auf meiner Stippvisite kein typischer Tourist bin, ich besuchte Freunde über ein verlängertes Wochenende, und somit nicht die sonst so obligatorischen Highlights aufgesucht habe, sollen aber an dieser Stelle zwei für Ostfriesland typische Phänomene erwähnt werden.
Watt, Ebbe und Flut. Ein fanszinierendes Schauspiel! Die Ebbe ermöglicht erst die Wattwanderung, ein echtes Muss. Die macht man meist auch und gerade barfuß -und vor allem geführt. Es gibt leider immer wieder jedes Jahr neue Todesfälle von Leuten, die sich sich für besonders schlau gehalten haben und glaubten, alles im Blick zu haben. Ist ja alles übersichtlich und schön flach. Aber die Entfernung zu Inseln, Festlandufer und Tiden (Gezeiten) mit ihrer speziellen Strömung werden gnadenlos falsch eingeschätzt. Mit fatalen Folgen. Es ist also wirklich keine gekünstelte Geschäftemacherei, wenn an der Nordseeküste immer wieder darauf hingewiesen wird, Wattwanderungen nur mit einem ortskundigen Wattführer zu unternehmen.
Hat man denn erst eine solche Wattwanderung gemacht und mit vielen neuen Impressionen Durst auf etwas Warmes bekommen, dann lernt man den nächsten Punkt typisch ostfriesischer Lebensart kennen. Tee.
Wenn es in der asiatischen Welt die Teezeremonie gibt, so gibt es in der westlichen Hemisphäre derer maximal zwei: die englische Art und -man ahnt es- die ostfriesische Art. Mehr gibt's nicht.
Seit meiner Rückkehr übrigens konnte mich unsere schöne italienische Kaffeemaschine mit ihrem anspruchsvollen Café nicht davon abbringen, ein Kännchen echten ostfriesischen Tee täglich zu genießen. Glimmt da in mir vielleicht ein kleines Nordlicht?
Ich werde einzig schon deshalb wieder nach Norden und umzu kommen, um zB. eine Wattwanderung zu machen. Ich werde mir für den Tee, für Spaziergänge die Zeit nehmen, um die nordfriesische Luft bewusst in mich aufzunehmen. Während der Besuche bei Freunden bleibt kaum Zeit: man hat sich viel zu erzählen und versucht, möglichst viel in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit zu sagen, tun und machen ...